Im November ist die ideale Jahreszeit für eine Wanderung mit dem Zeitreise Seelower Höhen e.V. auf dem Reitweiner Sporn und auf den Spuren der Schlacht um die Seelower Höhen 1945.

Mit seinen schönsten Farben hat der Herbst den Höhenzug übermalt. Wanderwetter. Geschichte erlaufen, ist heute Sinn und Ziel. Durch eine langgezogene Schlucht führt der Weg vom Ort Reitwein, ‚der Perle des Oderbruchs‘, auf den südöstlichen Ausläufer der Seelower Höhen. Nirgendwo anders ist der bekannte Geländesprung des Oderlands so nah am Fluß wie hier. Genau diese Lage macht den Reitweiner Sporn im Frühjahr 1945 zu einem der heftigst umkämpften Gebiete. An seinem Fuß, an seinen Hängen, auf seiner Oberfläche gräbt sich der Krieg ein, bis heute sichtbar unter dem Laub, zwischen den Bäumen. Schützengräben, Unterstände, Fahrzeugstellungen. Freilich zerfallen, zugewachsen und kaum mehr erkennbar.

Doch dafür gibt es die Führung. Immer wieder hält die Wandergruppe. Verweilen. In Ruhe die Landschaft wirken lassen. Sehen, erkennen, begreifen, was hier einst geschah. Enrico Holland vom Verein Zeitreise Seelower Höhen lenkt die Augen, gibt Hinweise, liefert Hintergründe. Der Blick in die Geschichte vom Punkt der „schönen Aussicht“, am östlichen Rand des Sporns. Am Horizont die Höhenzüge des Lebuser Landes, seit 1945 ist dort Polen und davor das von Baumreihen der Wege durch das Bruch verdeckte Band der Oder. Stücken Silberstreif in der Landschaft, wenn sich die Strahlen der Sonne auf die Wasseroberfläche legen. So nah ist der Fluss, den die Rotarmisten überschreiten, als er Ende Januar vereist vor ihnen liegt. Die Deutschen damals sind Zuschauer des Geschehens, im Krieg, wir heute im tiefsten Frieden.

In gemütlichem Wandertempo geht es aufwärts. Zur „Höhe 81,5“, vorbei an Rückegassen, aufgestapeltem Holz, abgebrochenen Baumkronen. Tief im sprießenden Unterholz liegt das charakteristische Zickzack der Schützengräben. Spuren des Kampfes auf dem höchsten Punkt des Sporns. Unweit davon der Standort der einstigen „Mooshütte“. Heute eine Wegekreuzung inmitten hoher Bäume. Tiefster Wald. 1945 Schauplatz eine der unüberlegten, überhasteten deutschen Aktionen gegen die sowjetischen Verbände. Das Werk eines großmäuligen SS-Offiziers, gegen jeden Ratschlag und gegen jede militärische Vernunft. Auf Teufel komm raus angreifen. Mit Panzern, in einem Wald, bei hereinbrechender Dunkelheit. 600 Landser zahlen mit ihrem Leben. Sie fallen wie heute die Blätter. Der SS-Mann verschwindet auf Nimmerwiedersehen.

Durch eine der vielen Erosionsschluchten geht es zum „Shukow-Bunker“. Damit erreichen wir andere Seite des Sporns. Sie wendet sich dem Nordwesten zu. Als der Großangriff der Roten Armee am 16. April 1945 beginnt, ist der Höhenrücken des Sporns ein idealer Feldherrenhügel. Hier haben die sowjetischen Befehlshaber den Überblick über das Schlachtfeld, wie die Deutschen bei Seelow. Heute ist das anders. Vor den Augen stehen Bäume, viele Bäume. Schlank und hochgewachsen versperren sie den Blick auf das Bruch. Da die Blätter gefallen sind, lässt sich die Landschaft der Niederung erkennen. Im Sommer verdeckt ein dichtes Blätterdach vollends den Blick. Der Befehlspunkt eines der bekanntesten Heerführer des Zweiten Weltkrieges wächst zu und verfällt.

Die Spitze des Sporns ist umrundet und begangen. Zeit für den Rückweg nach Reitwein, vorbei an der Stülerschen Kirche und über den sowjetischen Soldatenfriedhof. Hier künden Hunderte von Namen von der Schwere der einstigen Kämpfe im heutigen Wander-Refugium.

Das anschließende Mittagessen im Gasthof „Zum Heiratsmarkt“ ist hoch willkommen und bietet Gelegenheit, den Gang durch die Geschichte Revue passieren zu lassen und zu vertiefen. Geschichte mal nicht aus Büchern oder Fernsehen, sondern auf Schusters Rappen.