Das Schlachtfeld an der Oder
Gegebenheiten
Das offene Gelände des Oderbruchs liegt teilweise unter dem Wasserspiegel der Oder. Es ist durchzogen von unzähligen Wasserläufen, Wassergräben, Sümpfen und Kanälen. Stellenweise ist in Vorbereitung des Kampfes das Anlegen von Deckungslöchern gar nicht möglich, da bereits nach einer Tiefe von einem Spatenstich Grundwasser zum Vorschein kommt. Der kluge Stratege und Taktiker nutzt diese augenscheinlichen Nachteile und erkennt die Vorteile, die sich daraus ergeben können. So ist im Oderbruch der Einsatz von großen, konzentrierten Panzerkräften unmöglich, da sich die schweren Kampfwagen nur auf befestigten und befahrbaren Wegen oder Straßen fortbewegen können. Daher kommt dem Einsatz von Infanterie und Artillerie eine besondere Bedeutung zu. Ein gänzlich anderes Bild entsteht, wenn es der Angreifer schafft, aus dem Oderbruch heraus auf den Höhenkamm der Seelower Höhen zu gelangen. Von dort wäre der Vorstoß der Panzerverbände mit ihrer bedeutenden Schlagkraft direkt auf Berlin fast nicht mehr aufzuhalten. Es ist also eine Herausforderung, alles daran zu setzen, jeden Angriff ohne Geländeeinbußen zurückzuschlagen. Die enorme Tiefe der Staffelung des deutschen Verteidigungsgürtels (bis zu 40 km), der fast bis an Berlin heranreicht, zeigt deutlich, daß die Oderfront der letzte Bereich ist, um die Reichshauptstadt noch zu verteidigen, ja überhaupt verteidigen zu können.
Optimierung des Kampfgebietes
Die deutschen Befehlshaber versuchen, die enorme Unterlegenheit der deutschen Verbände durch das Ausnutzen der besonderen natürlichen und geographischen Gegebenheiten in dem Gebiet zwischen der Oder und Berlin auszugleichen. Zwar sind die steilen Osthänge des Höhenrückens eine sehr leicht zu verteidigende, natürliche Formation, jedoch stechen die im Januar und Anfang Februar geschaffenen sowjetischen Brückenköpfe, wie ein gewaltiger Dorn in das Fleisch der deutschen Verteidigung. Bevor der sowjetischen Seite der Sprung nach Berlin gelingt, muss sie erst das Oderbruch überwinden. Hier läßt Generaloberst Gotthard Heinrici einige Besonderheiten in den Verteidigungsgürtel einfließen. So nutzt er die Geländegegebenheiten des Oderbruches, speziell des nassen, feuchten und teilweisen sumpfigen Geländes aus und baut sie in den Aufbau der Verteidigung ein. Dadurch wir das Bewegen von Fahrzeugen und schweren Waffen zu einem Abenteuer. Selbst das Überqueren von Äckern zu Fuß gestaltet sich sehr mühsam. Die Zugangsmöglichkeiten zum Kamm der Seelower Höhen, aber auch am Reitweiner Sporn, sind quantitativ beschränkt und das Passieren nur auf einigen wenigen, nicht sehr breiten Straßen möglich. Eine große Zahl an Minengürteln soll die angreifenden sowjetischen Verbände auf diese Zufahrtswege hin kanalisieren. Von der Oberkante des Höhenkamms haben Infanteristen und Artillerie sowie Flak, die im Erdkampf eingesetzt ist, ein sehr gutes Schussfeld auf das östlich liegende Gelände und auf alle Straßen, die auf die Höhen führen. Das Schlachtfeld im Oderbruch bietet den Verteidigern sowie den Angreifern allerlei Schwierigkeiten aufgrund der fehlenden Deckung und zahlreicher Einschränkungen im Stellungsbau. Zusätzlich hielten die Verteidiger den Wasserpegel der Oder künstlich hoch, mit Wasser aus einem ca. 300km entfernten Stausee und erschwerten dadurch den Zugang zum künftigen Schlachtfeld.
Interaktive Schlachtfeldkarte
Erkunde die interaktive Karte mit Maus/Finger und entdecke die einzelnen Orte des alten Schlachtfeldes. Durch Anklicken der dynamischen Punkte gelangst Du zu den historischen Orten.
Tiefe Staffelung des Schlachtfeldes
Der erste Verteidigungsstreifen erstreckte sich über das Oderbruch, die sumpfigen Niederungen im Tal der Oder. Dort verlief die eigentliche Hauptkampflinie entlang des sogenannten Hauptgrabens. (eines breiten Entwässerungsgrabens)
Der erste Verteidigungsstreifen bildete gleichzeitig die vordere Kampfzone. Diese erstreckt sich dabei auf das gesamte Oderbruch welches ein sehr offenes Gelände, durchzogen von Wassergräben, Altwässern und Flussläufen ist. Sehr markant im Oderbruch sind die zahlreichen Gehöfte, Vorwerke und Gutshöfe neben vereinzelten Baumgruppen, kleinen Wäldchen und wenigen sandigen Erhebungen. In diesem 1. Verteidigungsstreifen sollten zahlreiche MG-Nester, verzweigte Schützengräben, Pioniersperren, Kampf stände und ein System verborgener Laufgräben dafür sorgen den sowjetischen Vormarsch aufzuhalten. Durch die allgemeine schlechte Deckung die das Oderbruch durch seine gerade, weitläufige Geographie bot war es notwendig im Verteidigungssystem jede kleine Möglichkeit zum Schutz einzubeziehen.So wurden Wassergräben, einzelne Gehöfte, Bahnlinien und Dämme – sogar allein stehende Häuser in das Konzept der Verteidigung einbezogen.
Der zweite Verteidigungsstreifen entlang der Seelower Höhen war der wichtigste. Hier befand sich die Großkampfstellung, in der sich die zurückweichenden Kräfte sowie die Reserven sammeln sollten, um den Feind zum stehen zu bringen. Dieser Zweite Verteidigungsstreifen erlangte hier an der Oderfront im Frühjahr 1945 eine ähnlich Bedeutung wie die vordere Kampfzone (erste Verteidigungsstreifen). Er bildete die sogenannte Hauptkampfzone. In seiner Dimension kam er auf einer Tiefe zwischen 10-20 km. Hier waren Artillerie, Panzerabwehreinheiten und Reserven integriert. Ein zentraler Abschnitt des 2. Verteidigungsstreifens war das Gebiet rund um die Hardenbergstellung. Die hier aufragenden, bis 60 m hohen Seelower Höhen und weiterführenden Höhenkämme bildeten eine vorzügliche Verteidigungsstellung. Durch einbeziehen von Ortschaften, Wälder, Gräben sowie Bahndämme und Seen wurde ein weitverzweigtes weiteres Verteidigungsbollwerk geplant und vorbereitet. Eine sehr tiefe Gliederung und starke Besetzung dieses Verteidigungsstreifens sollte verhindern dass dieser schnell und erfolgreich von den Einheiten der Roten Armee durchbrochen wird.
Hinter der Wotan Stellung begannen bereits die äusseren Stellungen des noch unvollständigen Verteidigungsgürtels um Berlin. Diese spielten jedoch bei der Verteidigung Berlins so gut wie keine Rolle mehr.
Quellen
- Brennendes Oderland, Fritz Kohlase
- Der Kampf um die Seelower Höhen, Karl Stich
- Seelower Höhen 1945, Roland Foerster
- Der Kampf um Berlin 1945, Tony Le Tissier
- Seelow 1945, Richard Lakowski
- Moskau, Seelow, Berlin, Stafan Doernberg
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