Geschichtsmarathon auf den Seelower Höhen
Zwei aufeinander folgende Tage mit gleich drei Veranstaltungen. Die letzte Kalenderwoche hatte es in sich. Nach monatelangem Verschieben konnten wir endlich Dr. Roman Töppel in Seelow begrüßen.
Etlichen wird sein Vortrag im Frühjahr 2020 in der Kienitzer Gaststätte „Am Hafen“ in Erinnerung sein. Roman Töppel berichtete dort über die Panzerschlacht bei Dubno kurz nach dem Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion im Juni 1941.
Das war kurz vor dem ersten Lockdown. Es folgte eine lange Phase dauernder Ungewissheit über die Zukunft des kulturellen Lebens. Nun konnte Töppel tatsächlich kommen. Am ersten Vortragsabend referierte er im Seelower Kulturhaus zur Arbeit an der kritischen Edition von Hitlers „Mein Kampf“. Am Ort der letzten Konsequenz von Hitlers Visionen, dem einstigen Schlachtfeld der Seelower Höhen, bot der Blick auf den Beginn des Ganzen, als es gewissermaßen noch zwischen zwei Buchdeckeln gefangen war, erhellende Einsichten.
Roman Töppel gehörte zu jenem Forscher- und Herausgeberteam, dass sich in kurzer Frist, mit wenigen Mitteln und unter hohem Erwartungsdruck für das Münchner Institut für Zeitgeschichte mit der ‚Bibel‘ des Nationalsozialismus auseinandergesetzt hat. Zwei gewichtige Bände wurden das Ergebnis dieser Anstrengung, in denen das Werk in jeder Hinsicht durchdrungen und historisch fundiert geradezu seziert wird. Töppel erläuterte im Kulturhaus die Glaubensgrundsätze des Nationalsozialismus, die ideengeschichtlichen Vorläufer dieser Ideologie und die Säulen von Hitlers Programmatik. Führerprinzip, Rassismus, Expansionsdrang, Diktatur und Gewalt gehören zu deren Wesenszügen.
Dass ihm diese Schilderung sehr eindringlich gelang, lag wohl auch daran, dass Roman Töppel, Jahrgang 1976, zu einer jüngeren Wissenschaftlergeneration gehört. Hier spricht kein Gelehrter aus einer verstaubten Elfenbeinturmperspektive. Das wurde auch am Folgetag in der Gedenkstätte Seelower Höhen deutlich. In einer Lehrerfortbildung bereitete Töppel das Thema des Vorabends faktenreich und spannend auf. Lehrerinnen und Lehrer aus der Region, aus Berlin und Angermünde interessierte die Frage, wie sich Hitlers Buch in den Schulen sinnvoll und erkenntnisorientiert thematisieren lässt. Dabei konnte Roman Töppel auf positive Erfahrungen bei zahlreichen Veranstaltungen mit Schülerinnen und Schülern verweisen. Stark interessiert und aufgeschlossen hätten sie sich gezeigt, mit einem großen Bedürfnis an Deutung und Erklärung der aus heutiger, jugendlicher Perspektive schon rein sprachlich eher sperrigen Thematik von Hitlers Gedankenwelt.
Am Abend schloss Roman Töppel im Kulturhaus die große Klammer vom Buch zur Realität mit jenem Thema, dass ihn international bekannt gemacht hat: seine Arbeit zur größten Schlacht des Zweiten Weltkrieges. Für in der DDR-Aufwachsende war die Schlacht am Kursker Bogen einen Groß-Mythos. In der sozialistischen Erzählung zum Krieg nahm sie einen zentralen Platz als ‚Entscheidungsschlacht‘ ein, nach Moskau und nach Stalingrad. Mit dieser bis heute virulenten Erzählung wuchs auch Töppel auf, nur dass er sie als Erwachsener und als Forscher hinterfragte und in bester wissenschaftlicher Tradition dekonstruiert hat. Dabei sind mit Kursk vor allem Niederlagen verbunden, deutsche wie sowjetische.
In der Geschichtserzählung der UdSSR konnte es freilich nur Erfolge geben. Herbeiphantasierte Zahlen deutscher Überlegenheit und dann vernichteter deutscher Panzer sollten die haarsträubenden Fehler sowjetischer Befehlshaber kaschieren, die eine ganze frisch aufgestellte Panzerarmee verpulvert hatten. Aus ihrer Perspektive war die Maskerade verständlich, ging es doch buchstäblich um ihren eigenen Kopf, denn Stalin war nicht erfreut über solche Verluste.
Aufschlussreich ist auch die Sicht auf heutige Dimensionen. Roman Töppel wusste zu berichten, das auf russischer Seite teils nach wie vor, mit steigender Vehemenz und unbeeindruckt von historischen Realitäten weiter an der Legende von Kursk gestrickt wird. Der ‚heilige‘ Krieg, so scheint es, muss seinen Schein behalten.
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