Tag des offenen Denkmals 2021 – offener T34

Am Tag des offenen Denkmals zeigen wir den offenen Denkmalspanzer. Der T34 der Gedenkstätte Seelower Höhen steht für tausende sowjetische Panzer, die zur Zeit der Schlacht von 1945 im Oderbruch eingesetzt sind. Hunderte von ihnen bleiben vor den Höhen liegen, abgeschossen, ausgebrannt. Die es nicht trifft, fahren weiter nach Berlin, dem Sieg der Roten Armee entgegen. Als DDR‐typischer Sockelpanzer reckt er seit Anfang der 1970er Jahre auf dem Antreteplatz der Gedenkstätte seine Kanone gen Westen. Zusammen mit den anderen „Waffen des Sieges“ soll er Stärke und Überlegenheit des Kommunismus demonstrieren. Damals verschlossen, zeigt er sich heute zugänglicher – für nach wie vor aktuelle Fragen: zum Verhältnis von Mensch und Maschine im Krieg und nach der Faszination von Technik vor dem Hintergrund massenhaften Tötens in einer Schlacht. Gründe zum Denken und Nachdenken, mit dem Gewicht von 30 Tonnen Stahl und dem seiner Geschichte.

Schon Tage zuvor spricht mich ein Mann auf dem Seelower Marktplatz an: „Ihr macht den Panzer auf? Ich will da unbedingt kommen. Mein Paul möchte den schon so lange sehen. Du hast doch den Schlüssel!“

Paul und sein Opa sind tatsächlich zeitig da und packen mit an: die schützende Plane muss vom Turmdach runter, die Leiter befestigt, die Figurine des Rotarmisten aufgestellt werden. Da ist jede helfende Hand willkommen. „Wir haben schon ‚Vier Panzersoldaten und ein Hund gesehen'“, sagt der Opa stolz. Ich muss lächelnd schimpfen: „Oh, je, über Dein pädagogisches Konzept müssen wir aber dringend mal reden!“ Die polnische Kriegsklamotte aus den End-60ern strotzt vor Absurditäten und ist heute eigentlich unsehbar. Zu DDR-Zeiten ist sie jedoch für ganze Bubengenerationen ein Straßenfeger und purer Kult. Ihr Titel ist stehende Redewendung geworden, mit der sich gestandene Männer gegenseitig als gebürtige und gelernte Ossis identifizieren können.

Der Enkel ist schon ins Innere des Panzers getaucht, mit Stirnlampe. „Der Paul will alles ganz genau sehen.“ Kopfüber hängt der Mann im offenen Turmluk und erklärt seinem Enkel geduldig jedes Detail. Es reicht, zwei Granaten-Dummys hochzugeben. Sie kommen an die richtige Position und ich habe Zeit für den Rotarmisten mit der Panzerfaust.

Um 10:00 Uhr ist alles fertig und der T34 empfangsbereit. In den nächsten fünf Stunden kommen ständig Interessierte von nah und fern. Berlin, Cottbus, Schwäbisch-Hall. Einen Blick ins Innere wagen selbst skeptisch dreinschauende Damen. „Wenn ich schon mal da bin …“ Und die Erkenntnis kommt prompt: „Oh mein Gott!“, „Wie furchtbar!“ Das berührbare Exponat berührt sofort. Kein langer Text ist nötig, keine Beschreibung. Geschichte wirkt sofort, ganz unmittelbar, direkt und emotional. So sprudeln dann auch die Fragen nach Leben und Überleben in der Tötungsmaschine, nach dem Sinn dieses und anderer, auch heutiger Kriege. Ein älterer Herr spricht uns an, aufgewachsen auf der Oderinsel. „Wir mussten raus aus unseren Häusern nach dem Mauerbau 1961.“ Die Häuser gibt es bald nicht mehr. Er erzählt von seinen Kindheitserlebnissen mit den sowjetischen Besatzungssoldaten und vom Tagebuch seines Vaters, der an der Westfront im Einsatz ist.

Motorrad- und Fahrradtouristen schauen vorbei, auf dem Weg nach Küstrin oder an die Ostsee. Hier unten der Blick ins Innere des Krieges, oben am Denkmal der Blick auf das einstige Schlachtfeld. Große und kleine Maßstäbe des übergroßen Schreckens der Vergangenheit.