Schau doch mal rein – T34 geöffnet im Seelower Museum

Das größte Exponat der Gedenkstätte Seelower Höhen steht seit 44 Jahren unter freiem Himmel. Arbeiter verschweißten 1972 die Luken des sowjetischen T34. Die DDR verabschiedete sich vom Innenleben des berühmten Panzers für immer. Wichtig war allein die Hülle, das reichte für Propagandazwecke. Seit dem war nie ein Mensch im Inneren des Stahlkoloss. Die Jahrzehnte im Freien setzten ihm sichtbar zu. Wir haben jetzt mal angeklopft und reingeschaut.

Da steht er im Morgendunst ­– nachtfeucht glänzen seine abgeschrägten Flanken. Rostbenagtes Blech, Farbe, die vom Militärgrün in ein surreales Rosa verschießt; statt dem Antennenfuß prangt ein Loch im Turm. Seit der Schutz über der Rohrwiege weggefault ist, dringt jeder Regenguss ins Innere; eingetretene Winkelspiegel zeugen von stumpfsinnigem Vandalismus. Die „Waffe des Sieges“, wie sie zu DDR-Zeiten großsprecherisch hieß, einstiger Stolz der Roten Armee, einer von 55.000 im Zweiten Weltkrieg gebauten T34 – er ist schon länger kein Vorzeigestück mehr. Viele Schäden sind alt und sie sind unübersehbar. Die letzte kostspielige „Restaurierung“ endete im Jahre 2012 mit einem Finish aus Billigfarbe und ließ offenkundige Schäden völlig unberührt. Dass der Veteran offiziell als Denkmal gilt, scheint ihm kaum genützt zu haben.

Weil wir nicht täglich Panzer knacken, haben wir uns Hilfe geholt. Seit etlichen Jahren kümmert sich Hans-Jürgen Voß aus Königs-Wusterhausen um die Außenexponate des Deutsch-Russischen Museums in Berlin-Karlshorst. Er hat jahrzehntelange Erfahrungen mit sowjetischen Panzern und öffnete mit großem Erfolg diverse versiegelte Kampffahrzeuge – allesamt ähnlich zugebrutzelt und innerlich verwahrlost wie der Seelower T34. Hans-Jürgen Voß bringt einen weiteren Helfer mit. Daniel Friedel wohnt neben dem Karlshorster Museum, sah die Arbeiten an den Fahrzeugen und ist seit dem ehrenamtlich voller Elan mit dabei.

Wir beginnen mit dem Freilegen des Deckelrandes und des Scharniers der Ladeschützenluke. Nach dem Entfernen von Verschweißungen, Rost und Farbschichten konzentrieren wir uns auf die Verriegelung. Sie lässt sich trotz mehrfachem Erwärmen, Fluten mit Rostlöser und beherzten Hammerschlägen nicht lösen. Das Öffnen klappt erst, als sich der ganze Verschluss löst und ins Innere fällt. So können wir das Scharnier verschonen. Mit einer 2-Meter Brechstange lässt sich die Luke Zentimeter für Zentimeter aufhebeln. Parallel gibt es viel Wärme für das Scharnier. Zur Mittagszeit ist die Luke auf und der Innenraum erreichbar. Nachdem Hans-Jürgen Voß als Erster dem modrig riechenden Inneren ‚Guten Tag‘ sagt, booten wir ein und gewinnen einen ersten Eindruck von der ungepflegten Zeitkapsel.

Es ist feucht und muffig hier, der Anstrich gelöst und abgefallen, überall Rost. Über unseren Köpfen zeigt sich das Turmdach wie das Gewölbe einer Tropfsteinhöhle – von Farbe nur noch Krümel. Der Boden ist mit einem Sediment aus Rost, Schmutz und Unrat mehrerer Jahrzehnte übersät, Wartungsklappen sind abgefallen und korrodiert. Von der Fahrerluke tropft Wasser, obwohl es seit einem Tag nicht geregnet hat. Das Nass passiert diese Stelle wohl seit über 40 Jahren mühelos. Das geräumige Wespennest am Platz des Funkers bleibt während unserer Arbeiten zum Glück ruhig.

Zum ersten Mal in einem T34, fällt uns die drangvolle Enge auf. Fünf Mann mit Ausrüstung waren in diesem Raum, der keiner ist. Jedes Bücken, Drehen, Aufrichten braucht Überlegung und Umsicht, sonst gibt es blaue Flecken – ein Vorgeschmack auf die Restaurierungsarbeiten. Wir werden wohl einige Panzerhauben als Kopfschutz kaufen müssen.

Die Bilanz der Innenausstattung in Stichpunkten:

– Verschlusskeil und Optik der Kanone fehlen
– Halterungen für Granaten, MG-Munition und Handgranaten sind vollständig vorhanden
– Sitz Funker fehlt bzw. nur in Rudimenten vorhanden
– Sitzfläche Fahrer fehlt, Lehne durch Wassereintrag zerstört
– Kanone lässt sich heben und senken
– Turm nicht drehbar
– Kommandantensitz vorhanden
– Funkgerät fehlt
– Rundinstrumente weitgehend vorhanden
– Turmdrehmechanik und Motor vorhanden
– diverse Kabel gelöst
– Einspritzpumpe Motor fehlt
– Getriebe fehlt
– Gurte am Verschlussmechanismus Kommandantenluke verrottet
– 2 Winkelspiegel innen vollständig, Gummiteile rissig/zerbröselnd
– 1 Winkelspiegel zerstört (von außen eingetreten, heruntergefallen)
– die sechs Munitionskisten, die auf dem Boden lagerten, fehlen

Wir bergen die gelösten Teile wie Sehschlitze der Kommandantenkuppel, Verschlüsse, die Wartungsklappe zum Motorraum, machen die Herstellernummer der Kanone sichtbar für die weitere Recherche (Baujahr 1944) sowie die Nahkampföffnungen gängig und nehmen Unrat raus. Die Scharniere der Luken sind nun beweglich und gefettet.

Als wir die Luken schließen, wird es dunkel. Hinter uns liegt ein Tag voll spannender, erfolgreicher Arbeit und vor uns noch mehr davon. Wir ahnen, dass sich die Mühen lohnen. Der Seelower T34 ist ein echter Veteran der berühmten Schlacht von 1945. Sein Inneres erzählt mindestens genau so viel wie seine Hülle. Und genau diese Geschichte werden die Besucher der Gedenkstätte bald mit eigenen Augen sehen können.

Alle weiteren Restaurationsarbeiten des Seelower T34 werden wir hier dokumentieren und viele weitere Bilder zeigen.

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