Panzer öffne Dich!

T34 auf in Seelow 2019

Keinen Gold- sondern einen Erfahrungsschatz öffnen wir mit dem Seelower T34 auch im Jahr 2019 einen Tag lang für Groß und Klein, für Alt und Jung. Ein Geheimnis birgt er allemal, das der Erkenntnis.

Neben dem bronzenen Soldatendenkmal ist kein weiteres Exponat von Gedenkstätte und Museum so groß wie der sowjetische Panzer. Durchlüftung und mehrfaches Reinigen haben dem Innenraum in den letzten Jahren gut getan. Aus der Tropfsteinhöhle mit Moder-Boden ist ein trockener Innenraum geworden. Mittlerweile liegt die Bilanz entfernten Unrats bei gut 100 Kilogramm an Schaden stiftendem, weil Feuchtigkeit haltendem Material.
Auch dieses Jahr kommen zahlreich Besucher aus Nah und Fern um den Stahlkoloss aus der Nähe zu betrachten und für die Gelegenheit zum Reinschauen. Ein junger Südtiroler mit Müncheberger Freundin ist voll des Lobes. Taten richten hier mehr als Worte aus. Was ist schon ein Buch, ein Film oder ein Vortrag über den T34 gegen das reale Schau-Stück? Vor allem ist es Wortgeklingel, das bei den meisten Besuchern vorbeirauscht, ohne Wirkung und ohne Wissen zu hinterlassen. Die selbst erarbeitete Erfahrung am realen Objekt ist da schon etwas anderes. Auf dem und erst recht in dem Panzer wird vieles klar, was sich zwar beschreiben, aber kaum nachvollziehen lässt: Empfindungen von Enge, Platzangst, Strapazen. Das wird in Sekunden klar und bleibt haften.

Seit im Ersten Weltkrieg die frühen Panzer auf den Schlachtfeldern erscheinen, bereiten sie Angst und Schrecken sowohl außen als auch innen. Was vielen Menschen beim Betrachten von Bildern, Filmen und Modellen zunächst nicht anders als ein kurioses Fahrzeug der anderen Art erscheint, bringt aus der unentrückbaren Nähe seines Inneren all die verborgenen und leicht ignorierbaren Botschaften bedrückend nahe: eine mobile Kriegsmaschine mit einer einverleibten Besatzung aus Fleisch und Blut. Sehr verletzliche Innereien also, inmitten eines Stahlmantels. Ihr Ziel ist es, unversehrt zu bleiben aber außen möglichst viel Schaden anzurichten. Es fragt sich, wer es schlimmer trifft: der Mensch innerhalb oder der außerhalb dieser mobilen, aggressiven Mikrowelt. Es hängt davon ab, wer zuerst getroffen wird.
An diesem Tag bleibt der T34 nicht, wie sonst, alleine stehen, ohne den anhaftenden Zerstörungszusammenhang. Den destruktiven Kontext zeigen die entschärfte Echt-Granate neben dem Heck des Panzers. Groß, schwer, wird jede einzelne zig mal gehoben, verstaut, aufgenommen, um schließlich in die Kanone im Turm des Kampfwagens geschoben und abgefeuert zu werden – Hand- und Akkordarbeit von meist sehr jungen Männern oder treffender von älteren Jungs, die überall besser aufgehoben sind als in einem Panzer, auf einem Schlachtfeld, in einem Krieg. Im T34 wird den Besuchern klar, dass das Leben vor dem 8. Mai 1945 ein sehr anderes als das heutige ist. Und das dieses Leben viel mit Leiden und mit Sterben zu tun hat. Das komische Fahrzeug Panzer offenbart seine grausame Logik. Zur Technik gehört der Terror. Und der Horror ebenfalls. „Panzerfaust“, Panzermine und das Modell einer Magnetladung am Rumpf zeigen, wie Soldaten den Ungetümen zu Leibe rücken. All dies ist nur ein kleiner Einblick in das, was auf dem damaligen Schlachtfeld passiert, aber greifbarer, als es sonst hier geboten wird.

Das fehlende Teilstück zwischen der Realität des Krieges und der heroisierenden Präsentation der sowjetischen Waffen, wie sie die SED-Bezirksleitung Frankfurt/Oder und SED-Kreisleitung Seelow Anfang der siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts an diesem Ort installieren lassen und die seither unverändert das Bild des Ortes prägt, bildet an diesem Tag ein 300 Kilogramm schweres, rostiges Stück Eisen. Im Jahre 1945 ist es Teil eines T34-Turmes.Würden wir seine Masse und seine Größe nicht kennen, sähe es aus wie das Bruchstück einer Tasse. Wölbung, Gießfugen und Spuren von Halterungen lassen die Herkunft des Fragments erkennen. Es stammt aus der Nähe von Alt-Tucheband, jenem Ort inmitten des Oderbruchs und inmitten des damaligen Infernos. Die überdimensionierte Eisenscherbe ist das letzte Überbleibsel eines sowjetischen Panzers, gefunden bei Feldarbeiten nahe der heutigen Bundesstraße 1, Jahrzehnte nach dem Kriegsende, wie so viele Hinterlassenschaften der Kämpfe. Es ist das, was übrig bleibt und was der Boden zuweilen hergibt, damit wir begreifen können, dass ein versehrtes Teil mitunter mehr erzählt, als ein unversehrtes Ganzes.